Passivhaus: Superstar im Klimaschutz

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Die Energie- und Wärmewende ist in vollem Gange – zumindest ist sie fertig geplant.

Wir steigen in allen Bereichen auf Strom um: Wohnen, Industrie, Mobilität und Gebäudebewirtschaftung. Woher aber soll all der benötigte Strom kommen? Bleiben die Energiebedarfe im Industrie, wie im Privatsektor, gleich hoch und kommt dann der Bedarf der E-Mobilität hinzu, haben wir zur wirklichen Energiewende noch einen großen Schritt vor uns: Das Umdenken. Denn ohne, dass wir die Energiebedarfe reduzieren, werden wir zu wenig Strom produzieren können, um eine konstante Versorgung in allen Bereichen zu gewährleisten. 

Damit ist der Weg „Energiewende“ für Neubauten bereits definiert: Es muss so geplant und gebaut werden, dass das entstehende Gebäude von vorneherein kaum Energie benötigt und die Wärme nachhaltig erzeugt wird. Das Konzept „Passivhaus“ mit seinem minimalen Endenergiebedarf ist also die logische Antwort auf die notwendigen Klimaschutzbestrebungen. Und ganz nebenbei bietet das passive Haus einen extrem hohen Wohnkomfort durch dauerhafte Frischluftzufuhr und ein angenehmes Raumklima.

Das Passivhaus ist aber keine neue Erfindung – im Gegenteil, es ist den Kinderschuhen längst entwachsen: Vor 32 Jahren entstand das Ur-Passivhaus in Darmstadt. Seither sind weltweit tausende Passivhäuser nach demselben Konzept entstanden, streng geplant mit dem zertifizierten Tool PHPP: Eine dichte Gebäudehülle, der Klimaregion angepasste Dämmung, Vermeidung von Wärmebrücken, eine obligatorische Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und eine perfekte Planung des Hauses in seine unmittelbare Umgebung für optimale Beschattung genauso wie für optimalen Sonneneinfall.  Das Konzept hat sich in der Praxis bewährt und selbst das Urgebäude erfüllt heute schon den Standard „klimaneutrales Gebäude“, wie ihn die Bundesregierung von jedem Gebäude bis 2045 fordert.

Überschaubare Haustechnik: Typischerweise sind in Passivhäusern kompakte Geräte mit Wärmepumpe und zentraler Wohnungslüftung verbaut. Der Warmwasserspeicher kann integriert oder nebenstehend installiert sein. Foto: Pro Passivhaus/drexel und weiss

Überschaubare Haustechnik: Typischerweise sind in Passivhäusern kompakte Geräte mit Wärmepumpe und zentraler Wohnungslüftung verbaut. Der Warmwasserspeicher kann integriert oder nebenstehend installiert sein. Foto: Pro Passivhaus/drexel und weiss

Passivhaus ist aktiv klimaneutral

Das Prinzip des Passivhauses erfand der Vordenker im Bereich Klimaschutz Prof. Dr. Wolfgang Feist lange bevor die Begriffe „klimaneutral“ oder „Energieeffizienz-Standards“ eine Rolle in der Bauplanung übernahmen. Und dennoch setzte er genau diese Themen ganz oben auf seine Agenda. Der promovierte Physiker und Energietechniker hatte es sich zum Ziel gesetzt, ein Gebäude zu konzipieren, dass kaum Energie verliert und deswegen kaum Energie von außen benötigt. Diese Voraussetzungen kombinierte er bereits damals mit einer Lüftungsanlage, die jeden Raum des Hauses gleichmäßig und dauerhaft mit Frischluft versorgt. Durch eine eingebaute Wärmerückgewinnung wurde die, im Gebäude entstehende, Abwärme genutzt, um das Haus warm zu halten. Gepaart mit der optimalen Einbettung des Gebäudes in die Gegebenheiten vor Ort, entstand damals das erste „Gesamtkunstwerk“ Passivhaus.

Zugegebenermaßen war ein Passivhaus für damalige Bauherren und -damen noch eine kostspielige Angelegenheit. Anfangs mussten rund 30 % Mehrkosten für ein Passivhaus einkalkuliert werden. Heute sind es gerade mal noch etwa 5 % Mehrkosten im Vergleich zum Bau eines Hauses nach dem Effizienzhaus- 55-Standard. Das liegt daran, dass viele Bauteile, die für ein Passivhaus erforderlich sind, heute in Serie produziert werden und auch die Planung durch einen zertifizierten Architekten und Passivhausplaner dank des Planungstools PHPP und den gesammelten Erfahrungswerten einen überschaubaren Aufwand darstellt. Darüber hinaus wurden die Anforderungen an konventionelle Häuser bezüglich ihrer Klimafreundlichkeit in den letzten 30 Jahren deutlich erhöht, so dass der Unterschied zwischen einem Passivhaus und einem konventionell erstellten Gebäude kleiner geworden ist. Den Kostenunterschied erwirtschaftet es im Übrigen bereits in den ersten Jahren seiner Lebensdauer.

Das Passivhaus hat hohe Maßstäbe gesetzt. Bis heute ist es der ungeschlagene Superstar im Klimaschutz.

Durch Sanierungen zum Passivhausstandard: Im Bild ein Gebäude aus den 1950er Jahren, das seit der Sanierung alle Passivhauskriterien erfüllt. Bild: Pro Passivhaus/r-m-p architekten

Durch Sanierungen zum Passivhausstandard: Im Bild ein Gebäude aus den 1950er Jahren, das seit der Sanierung alle Passivhauskriterien erfüllt. Bild: Pro Passivhaus/r-m-p architekten

Klimaschutz heißt Energiebedarf vermeiden

Das Gesamtkonzept Passivhaus zielt darauf ab, nur einen niedrigen Heizwärmebedarf entstehen zu lassen. Dadurch schrumpft der Haustechnikbedarf auf ein Minimum, was wiederum Ressourcen spart. Ein aktives Heizsystem ist nicht nötig. Neben der ohnehin obligatorischen Lüftungsanlage mit integrierter Zuluftheizung bedarf es keiner weiteren Technik.

Um das zu erreichen, muss das Haus detailliert geplant werden. Die Qualitätsmerkmale, die es erfüllen muss, um den Titel Passivhaus tragen zu dürfen, sind klar definiert:

Das Ziel ist ein Jahresheizwärmebedarf von unter 15 kWh je Quadratmeter Wohnfläche. Um diesen Wert erreichen zu können, ist eine Bedingung an die Konstruktion des Gebäudes eine weitestgehende Wärmebrückenfreiheit. Die U-Werte aller nicht lichtdurchlässigen (opaken) Bauteile haben verpflichtende Grenzwerte von unter 0,15 W/(m²K), die der Fenster unter 0,8 W/(m²K). Das Gebäude muss nach Fertigstellung eine sehr hohe Luftdichtheit haben. Diese wird mittels Differenzdruckverfahren (Blower-Door-Test) gemessen. Dabei darf der Wert eines 0,6-fachen Luftwechsel pro Stunde nicht überschritten werden. Damit der Nutzen der Dichtheit erhalten bleibt, anfallende Feuchte und Luftschadstoffe aber trotzdem zuverlässig „weggelüftet“ werden, wird ein Passivhaus obligatorisch mit einer Lüftungsanlage mit hocheffizienter Wärmerückgewinnung ausgestattet. Das gesamte Gebäude wird am Bauplatz solar ausgerichtet, um optimale energetische Gewinne durch die Fenster im Winter zu nutzen. Gleichzeitig wird mit einer optimalen Verschattung für heiße Sommer geplant, um ein kühles Haus zu bewahren.

Lage, Lage, Lage

Das Einbeziehen der lokalen Klimadaten und das optimale Einbetten des Gebäudes in das zu bebauende Gelände sind Teil der zu erfüllenden, strengen Passivhausrichtlinien. Gleichzeitig ist das einer der großen Unterschiede zu der Planung eines Effizienzhauses nach gesetzlichem Standard. Diese gehen bei der zugrundeliegenden Berechnung immer von einem Standort in Potsdam aus. Die Potsdamer Klimadaten unterscheiden sich allerdings maßgeblich von denen des hitzebelasteten Rheingrabens oder den kühleren Hochlagen der Schwäbischen Alb. Bei der Planung des Passivhauses finden all diese regionalen Besonderheiten Berücksichtigung. Immer mit dem Ziel, dass das Gebäude die notwendigen, errechneten Heizwärmebedarfswerte tatsächlich einhält. Eine weitere Besonderheit ist, dass das Baugrundstück mit dem, was es zu bieten hat, in die Planung einfließt. Stehen dort beispielsweise groß gewachsene Bäume, werden sie bei der Verschattung berücksichtigt. Diese scheinbare „Erbsenzählerei“ garantiert, dass die Heiztechnik minimiert werden kann. Es gibt keine ressourcenverschwendenden Sicherheitszuschläge – und damit zu groß dimensionierte Technik -wie dies bei vielen konventionell geplanten Häusern der Fall ist.

Die richtige Planung machts

Bauplanende finden an verschiedenen Stellen fachliche Beratung, kostenfrei beispielsweise beim Bundesverband Pro Passivhaus e.V. Durch sein gutes Netzwerk ist er der passende Ansprechpartner für das Finden eines zertifizierten Passivhausplaners, um bald in den eigenen Klimaschutz-Superstar einziehen zu können. Der Verein fördert außerdem den Bau von Passivhäusern oder die Sanierung zum Passivhaus mit 500 Euro für private Bauherren.

Infokasten:

  • Pro Passivhaus Beratung für angehende Passivisten: www.propassivhaus.de à Beratungstelefon
  • Passivhaus zertifizierte Bauteile: Mittlerweile in Serie hergestellte Bauteile, die für die Passivhauserstellung geeignet sind, beispielsweise durch besondere Dichtheit oder dreifach Verglasung
  • max. 15 kWh/Jahr: Bekanntestes Kriterium für ein Passivhaus, das sich auf den Heizwärmebedarf pro Quadratmeter und Jahr bezieht.
  • U-Werte: Das sind die Wärmedurchgangskoeffizienten, angegeben in W/(m²K). Sie geben den Wärmestrom an, der durch einen Quadratmeter eines Bauteils fließt, wenn die Temperaturdifferenz zur angrenzenden Luftschicht ein Grad Celsius ist (Das entspricht einem Kelvin. Darauf bezieht sich das K in der Formel). Je kleiner der U-Wert, desto besser die Wärmedämmung eines Bauteils.
  • PHPP: Das Passivhaus-Projektierungspaket, kurz PHPP, ist das Planungstool für zertifizierte Passivhäuser
  • KfW Förderungen fürs Passivhaus: Effizienzhaus-Förderungen der KfW sind möglich, wenn neben der PHPP-Berechnung auch die Effizienzhausberechnung durchgeführt wird.
  • Endenergie: die Energie, die dem Haus zugeführt werden muss und für die bezahlt wird.
  • Obligatorische Lüftungsanlage im Passivhaus: Komfortlüftung mit integrierter Warmluftheizung

Services von Pro Passivhaus

Der Bundesverband Pro Passivhaus e.V. bietet Service für Passivhausbauende und alle, die sich mit dem Passivhausstandard beschäftigen. Dazu zählen Informationen und Broschüren rund um das Passivhaus und dessen Bau, die finanzielle Förderung von Passivhausprojekten, die Beratungshotline und Webinare.

500 Euro fürs Passivhaus

Seit einigen Jahren fördert Pro Passivhaus e.V. auf Antrag Passivhausprojekte privater Bauherren. Je Bauprojekt werden 500 Euro ausbezahlt, unabhängig von der Anzahl der Wohneinheiten. Dafür gibt es auf der Website des Verbands ein einfaches Formular, mit dem das Projekt in der Planungsphase skizziert werden muss. Die Förderung wird nach Abschluss des Bauvorhabens ausbezahlt. Die Förderbedingungen sind sehr überschaubar; insbesondere müssen der Passivhausnachweis nach PHPP sowie einige Bilder und Pläne zur Dokumentation übermittelt werden. Neben den Bauherren sind ausdrücklich auch Passivhausplaner aufgerufen, die Förderung für ihre Auftraggeber zu beantragen.

Kostenlose Beratung

Bauherren und Fachleute können sich bei Pro Passivhaus zu konkreten Einzelfragen kostenlos und unabhängig beraten lassen. Auf der Website des Vereins gibt es den Service „Beratungstelefon“. Wer in einem kleinen Formular Name, Telefonnummer und Frage hinterlässt, erhält dann einen Rückruf oder eine Mail eines ausgewiesenen Passivhausexperten, der mit Rat und Kontakten wertvolle Unterstützung leisten kann.

Mit seinen Angeboten will Pro Passivhaus bei der Umsetzung des höchsten energetischen Standards unterstützen und zu Investitionen in klimaneutrale Gebäude ermutigen.

www.propassivhaus.de

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