Planen by bauen: Der Irrsinn von Baubesprechungen und Projektabläufen

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Immer häufiger verlässt Handwerksmeister Thomas Graber in letzter Zeit Baubesprechungen von größeren Projekten und ist verärgert und frustriert. Denn was vor 10 Jahren noch Einzelfälle waren, scheint sich zum Regelfall zu entwickeln. Denn was zwischen Architekten und Planern auf der einen und Handwerksbetrieben auf der anderen Seite, aber vor allem auch, was zwischen den beteiligten Unternehmen untereinander abläuft, hat mit zielgerichtetem, strategischem und partnerschaftlichem Arbeiten nicht mehr viel zu tun. Und es muss erlaubt sein, das mal auszusprechen.

Das Baugewerbe boomt, allerorten drehen sich Kräne, werden neue Projekte gestartet, wird umgebaut und modernisiert. Die Zinsen sind günstig. „schnell noch bauen, bevor die Zinsen wieder steigen“, lautet die Devise. Da bleibt in vielen Fällen kaum noch Zeit, eine fundierte und komplett zu Ende gedachte Planung zu entwickeln. Wenn aber zu wenig Zeit für die Werk- und Ausführungsplanung investiert wird, können viele, baulich zwingend notwendige Details nicht in der Tiefe behandelt und entwickelt werden. Vieles davon wird dann – eines der Probleme vieler Handwerker heute – auf einen späteren Zeitpunkt – d.h. kurz vor der Ausführung – oder sogar ganz auf die ausführende Firma verlagert. Die oft fehlende Planungssicherheit führt zwangsläufig zu Unsicherheiten bei der Kalkulation, sowohl im Hinblick auf die Kosten als auch auf die benötigte Vorlauf- und Ausführungszeit. Handwerker müssen/sollen zum Teil Planungsleistungen (zu denen sie nicht verpflichtet sind) übernehmen, um schneller handlungsfähig in der Ausführung zu werden, bekommen aber dafür – in der Regel – keine finanzielle Entschädigung.

Die Klärung von technischen Details wird dann oft in die „allgemeinen“ Baubesprechungen verlagert – und dadurch entsteht Problem Nummer 2: Jour-fix-Termine, die eigentlich dazu dienen sollten, das große Ganze (d.h. den Bauprozess insgesamt) abzustimmen, werden immer mehr zu Planungs- und Koordinationsterminen missbraucht. Da werden (oft stundenlang) kreuz und quer Diskussionen zu Problemen oder offenen Fragen geführt, die nur einzelne Personen/Firmen betreffen, ohne wirklich klare und verbindliche Entscheidungen zu treffen – um letztlich festzustellen, einer konkreten Antwort oder Entscheidung nicht wirklich näher zu kommen…

Beispielsweise sitzen 20 Menschen oder mehr bei einem solchen Jourfix und hören sich Probleme Einzelner an, die im Interesse der Zuhörer in fast allen Fällen völlig sinnfrei und zeitraubend sind. Eigentlich respektlos gegenüber den Teilnehmern, die sich das anhören müssen und mit dem Gesprächsinhalt im Detail nichts zu tun haben.

Dem gegenüber werden schnelle und verbindliche Entscheidungen, auf die man sich wirklich verlassen kann, immer seltener „live“ getroffen. Die Gründe sind vielfältig und für jeden Beteiligten nachvollziehbar, doch die Verantwortung liegt – aus meiner langjährigen Praxiserfahrung – in erster Linie beim Moderator bzw. dem, der die Prozesse steuert und Entscheidungen trifft, um auf beiden Seiten (Auftragnehmer und Auftraggeber gleichermaßen) Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit einzufordern.

Die heutige Praxis zeigt jedoch, wie viel unnötige Zeit bei allen Beteiligten sinnlos verloren geht – aus meiner persönlichen Sicht doch wertvolle Zeit, die viele Handwerker sicherlich lieber und effektiver für das Projekt oder die Ausführung auf der Baustelle verbringen würden. Kein Wunder, dass Großbaustellen nicht rechtzeitig fertig werden. Kein Wunder, dass bei öffentlichen Bauprojekten die Kosten regelmäßig explodieren.

Viele Projektverantwortliche stehen unter extremem Stress und Leistungsdruck, da der Erfolg maßgeblich vom Zusammenspiel der Protagonisten abhängt, auf die sie zum einen nur begrenzt Einfluss nehmen können, auf deren gute Performance und Mitarbeit sie zum anderen aber angewiesen sind. Es ist zwischenmenschlich sicherlich nicht für jeden einfach, immer den richtigen Ton und die nötige Diplomatie zu finden – aber auch hier gilt das Sprichwort: Wie man in den Wald hinein ruft…

Unsicherheit bzw. Selbstschutz, gepaart mit unzureichender Fachkompetenz im Detail und einem enormen Zeitdruck motivierten manche Planer und Architekten dazu, Lösungsstrategien gleich „live“ mit dem Fachmann zusammen zu entwickeln. Aber doch bitte nicht in großen Baubesprechungen!

Hier ein paar klassische Antworten von Planern und Architekten zum Thema Planung sowie Ausführungs- und Detailplanung sowie deren wirkliche Bedeutung:

Haben wir am Start! = Wir haben noch gar nichts gemacht!

Ist in Bearbeitung! = Ist mir nicht wichtig genug, sonst hätte ich es schon gemacht!

Das muss ich prüfen! = Ich traue keinem, brauch aber Zeit mich reinzudenken!

Es fehlen noch Angaben! = Ich muss mich um alles selbst kümmern – hatte noch keine Zeit!

Muss noch entschieden werden! = alles & nix ist wichtig – kommt Zeit kommt Entscheidung!

Muss besprochen werden! = ist mir wichtig, aber hab eigentlich keine Zeit!

Ich warte auf Rückmeldung = hoffentlich weiß derjenige, dass er „fix“ zurückmelden muss…

Dafür sieht sich der ausführende Handwerker fast ausschließlich mit diesen drei klassischen Fragen konfrontiert:

  1. Wann können Sie anfangen?
  2. Wann sind Sie mit ihren Arbeiten fertig?
  3. Geht’s auch schneller?

Um von Unzulänglichkeiten zum Stand der Planung abzulenken und um Zeit zu gewinnen, werden ausführende Firmen gerne mit viel Papier/Plänen und allen möglichen Information versorgt, die zwar sicherlich relevant, aber in der Regel nachrangig zu behandeln sind.

Irrtum 1: Viel Info hilft viel

Planer filtern immer weniger spezifisch, sondern schütten erst mal die beteiligten Unternehmen mit viel Papier und Plänen zu. Motto: Such dir selbst raus, was du brauchst. Das kostet jedoch den Auftragnehmer viel Zeit und Nerven. Und eigentlich hat jedes Gewerk einen Anspruch auf werthaltige Informationen, oder? Und Geld kostet es ja auch, wenn man sich die Unterlagen auch noch selbst ausdrucken muss, das spart nur dem Planungsbüro Druckkosten. Die Bereitstellung von aktuellen Planungsunterlagen auf einem Server ist zwar modern, hilft aber nichts, wenn nicht alle Handwerker so weit sind, die Daten auch zu organisieren und damit umzugehen. Gerne wird in diesem Zusammenhang vergessen, alle Beteiligten auch zeitnah vom neuesten Planstand zu informieren – der Verweis im Plankopf auf einen neuer Index, schließt noch lange nicht auf die geänderten Inhalte, wenn in den Planunterlagen nichts „gewolkt“ ist oder die Änderungen nicht schriftlich angeführt werden.

Irrtum 2: Einfach Probleme auf andere abwälzen

Klar, jede Partei – sei es Auftraggeber, Auftragnehmer oder Planer – muss vereinbarte Pflichten und Fristen einhalten. Daher kann es auch nicht sein, dass Planungsleistungen so ohne weiteres auf die ausführenden Firmen (sofern es nicht vertraglich anders geregelt ist) verschoben werden. Zum einen ist es immer eine Frage der Haftung, zum anderen aber auch die Frage der Vergütung. Aber auch das Verhalten der beteiligten Handwerksfirmen untereinander lässt vielerorts zu wünschen übrig.

Ohne Sinn und Verstand wird zum vereinbarten Termin drauf los montiert, ob das Sinn macht, die Schnittstellen der Gewerke fehlerhaft sind oder versäumt wurde notwendige Vorleistungen zu erbringen – egal. Diese Rücksichtslosigkeit verursacht unnötig Kosten, Zeit und Ärger. Wenn es keiner merkt, sind spätere Mängel und Bauschäden vorprogrammiert.

Schon merkwürdig, wenn ein rücksichtsvoller und kollegialer Umgang auf einer neuen Baustelle als „ungewöhnlich“ wahrgenommen wird, oder?

Irrtum 3: Ehrlichkeit und aktive Mitarbeit beim Thema Termine und Ablauf

In jedem Projekt ist Termindruck das zentrale Thema. Eine Unart ist inzwischen, um von eigenen Unzulänglichkeiten oder Kapazitätsengpässen abzulenken, zuerst einmal Versäumnisse und Fehler bei anderen Vorgewerken zu suchen.

Da werden Behinderungsanzeigen geschrieben, ohne dass es einen wirklichen Schuldigen gibt. Aber eine solche Anzeige könnte ja später noch einmal von Nutzen sein. Zugeständnisse werden oft nur gemacht, wenn es den eigenen Interessen gut tut.

Und egal auf welcher Baustelle Sie sind, Sie hören mindestens einmal amTag: „Was? Ich bin auf keinen Fall schuld!“ Es ist spannend zu beobachten, wie sich die Verhaltensweisen der Protagonisten ähneln, wenn es um die Schuldfindung geht. Allen Beteiligten könnte – theoretisch – eine Mitschuld angelastet werden. Das Praxisverhalten zeigt jedoch: Solange du selbst nicht der Auslöser für die Verschuldung bist, wird in jedem Fall erst einmal ein anderer ans Kreuz genagelt. Auch eine Strategie! Ob dieses Verhalten dem Projektablauf förderlich ist? Ich denke: Mit solch einer Einstellung auf keinen Fall!

Irrtum 4: Jetzt – sofort und gleich !  Wenn der Kunde ruft…

Manchmal hat man das Gefühl, dass mit dem Erhalt eines Auftrages auch eine jederzeit (sogar über die normale Geschäftszeit hinausgehende) abrufbare Präsenz vereinbart wird. In diesem Zusammenhang wird oft vergessen, dass zeitlicher Aufwand, Anfahrtsweg und Umfang der Arbeiten oft nicht in Relation zum Ergebnis liegen, aber oft aus einem subjektiven Empfinden heraus, erst einmal klar gestellt wird: wer zahlt, schafft an!

Kurzfristige Termine mögen ja Sinn machen, wenn diese effizient, sachlich und zielführend sind. Die Praxis belehrt uns doch viel zu oft, dass es anders ist.

Irrtum 5: Der Handwerker ist an allem Schuld!

Ganz klar, jedes Gewerk muss seine Vorleistungen prüfen, bevor mit der eigenen Leistung begonnen wird. Das entlässt aber in keinem Fall den Planer und Architekten aus der Verantwortung. Die zwingenden Abhängigkeiten in der Zusammenarbeit zwischen Planung und Ausführung wird bei vermeintlichen Fehlern und Mängeln immer auf die Probe gestellt.

Das offensichtliche „Der hat’s gemacht – der hat Schuld!“ hat mit neutraler Sichtweise immer auch noch andere Seiten. Nachdem der Handwerker in Vorleistung gehen muss, bevor er nach Abnahme seinen Werklohn fordern darf, ist er das vermeintlich schwache Glied in dieser Kette. Ob solche schnellen Schuldzuweisungen immer gerechtfertigt sind?

Damals wie heute….

Früher galt noch das gesprochene Wort auf der Baustelle: „Ausgemacht ist ausgemacht!“ oder „Ich helfe dir, du hilfst mir“. Dieser Kodex geht leider über die Jahrzehnte und Generationen der am Bau Beteiligten immer mehr verloren. Jeder schaut immer häufiger nur noch auf sich selbst und seinen Vorteil. Getrieben von Zeit- und Leistungsdruck bleibt immer weniger Zeit für Zwischenmenschlichkeit. Das Handwerk lebt von und mit den Menschen, die zusammenarbeiten.

Die drei Ver… (Verbindlichkeit, Verantwortung, Vertrauen) waren damals und sind heute der Grundstein für gute und erfolgreiche Zusammenarbeit.

So wird ein Schuh draus:

  • Das Produkt / Ergebnis muss klar definiert und für alle erkennbar und nachvollziehbar sein
  • Die Aufgabenstellung für das jeweilige Gewerk muss klar definiert und im Detail bekannt sein
  • Notwendige Planunterlagen sollten vollständig sein
  • Entscheidungsmatrix : was muss bis wann von wem entschieden werden
  • Es gibt Holschulden und Bringschulden – und die gilt es einzulösen
  • Gegenseitige Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit unter den Beteiligten gehören immer dazu
  • Termine müssen, „realistisch“ geplant werden (inkl. Pufferzeiten)
  • Zuordnung klarer Verantwortlichkeiten
  • Schnittstellenprobleme frühzeitig in Angriff nehmen
  • Intensive Koordinationsgespräche im kleinen Kreis (Schnittstellen/Vorgewerke)
  • Allgemeine Themen „Jourfix“ ( große Kreis ): Gesamtablauf – Gesamtorganisation

Zusammenfassend zeigt sich: Wenn ein Projekt strategisch richtig geplant wird, genügend Zeit für Planung investiert wird und dann mit den richtigen Beteiligten konsequent umgesetzt wird, dann ist der Erfolg garantiert! – und das zur Zufriedenheit aller Beteiligten. Dazu gehört eine klare Definition der Ziele, eine realistische Zeitplanung und die Zuordnung klarer Verantwortlichkeiten. Sind dann auch noch alle Schnittstellen definiert und koordiniert, können die speziellen Themen auch im kleinen Kreis konstruktiv besprochen werden.

Somit wäre der Grundstein gelegt, in großer Runde auch nur die wirklich wichtigen Themen zum Projektablauf wesentlich effizienter und erfolgreicher gestalten zu können. Das setzt im zwischenmenschlichen Bereich aber auch Respekt und Verbindlichkeit voraus – zwei Eigenschaften, die leider auch immer seltener zu finden sind.

Nehmen Sie diesen Artikel doch gerne zu ihrem nächsten Jourfix/Projektbesprechungen mit und lassen Sie die Inhalte innerhalb der Beteiligten in einem Kurzgespräch reflektieren.

Wenn ich mit diesem Beitrag zur Qualitätsverbesserung in Baubesprechungen beitragen sollte, hat es sich gelohnt.

Thomas Graber

Zur Person:

Thomas Graber ist Unternehmer mit Leib und Seele. Seit seinem 18. Geburtstag ist er Inhaber eines Handwerksunternehmens für technische Isolierung und Brandschutz. Nach der Übernahme vom Vater erlebte er mit der Graber GmbH alle Höhen und Tiefen und hat die Firma zu einem mittelständischen Handwerks- und Dienstleistungsunternehmen geführt, das heute regional, aber auch im In- und Ausland in den Bereichen Technische Isolierung, Trockenbau und Innenausbau als wichtiger Partner wahrgenommen wird. 2013 wurde die Graber GmbH als einer der Top 100-Arbeitgeber in Deutschland ausgezeichnet.

Sein Wissen und seine Erfahrung als Unternehmer vermittelt Graber in Vorträgen, Seminaren und Workshops, bei denen die Teilnehmer von vielfältigen und praxisnahen Tipps profitieren. Dabei geht es ihm besonders um die Rolle und Persönlichkeit des Unternehmers sowie um das Verständnis komplexer betriebswirtschaftlicher Zusammenhänge – speziell für kleine und mittelständische Handwerksbetriebe. Fachlich fundiert und mit hohem Praxisbezug vermittelt er erfrischend und fesselnd, was Unternehmer heute interessiert. „Manchmal sind es die einfachen Dinge und Kleinigkeiten, die uns erfolgreich machen“, sagt Thomas Graber. Er bringt Themen geradlinig auf den Punkt, seine Tipps und Tools, theoretisch wie praktisch, sind simpel und funktionieren perfekt.

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